Donnerstag, 8. April 2010

Verschollen im Facharzt-Dreieck: Nur 50% der Überweisungen führen tatsächlich zu Arzt-Besuch

Verschollen im Facharzt-Dreieck

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Bekommt ein Patient eine Überweisung, befolgt er diese und stattet der betreffenden Arztpraxis auch tatsächlich seinen Besuch ab. Möchte man meinen. Das und wie häufig dem allerdings nicht so ist, brachte nun eine Studie von US-Wissenschaftlern in Indianapolis ans Licht. Ihr Fazit ist niederschmetternd: Fünfzig Prozent der Patienten, die zu einem Facharzt überwiesen worden waren, kamen nicht wie geplant in dessen Sprechstunde. In Folge dessen erhielten sie auch nicht die für sie vorgesehene Behandlung. Dass im Rahmen von Überweisungen des Öfteren Fehler auftreten, ist keine neue Erkenntnis. Die erschreckende Dimension, in der dies der Fall ist, war bislang jedoch nicht bekannt.

Ziel oftmals verfehlt

Die Forschergruppe vom Indiana University Center of Aging Research ging der Frage nach, in wie weit Überweisungen vollständig zum Abschluss kommen – den Patienten mithin tatsächlich zur Konsultation in die betreffende Facharztpraxis führen. Dazu analysierten sie unter Leitung von Prof. Dr. Michael Weiner in einer zweijährigen Querschnittuntersuchung die Krankenpapiere und Abrechnungsunterlagen von Patienten einer medizinischen Praxis an einer Universitätsklinik. Diese waren dort zwischen dem 1. Juli 2000 und dem 30. Juni 2002 in ambulanter Behandlung.
Alle der 6.785 Teilnehmer der Studie befanden sich im Alter von 65 Jahren und darüber. Das Durchschnittsalter betrug 72 Jahre, 66 Prozent davon waren Frauen und 34 Prozent Männer. Sämtliche Arztbesuche wie auch Klinikaufenthalte der Patienten wurden elektronisch erfasst. Die Daten umfassten zudem demografische Angaben wie Geschlecht, Geburtsdatum und Krankenversicherung. Die Zahl der Überweisungen aus der ambulanten Versorgung zu einer fachärztlichen Behandlung betrug insgesamt 7819.
Prof. Weiner und sein Team hatten bei der Auswertung der Daten eine zeitliche Frist festgelegt: Die Überweisung galt als korrekt durchgeführt, wenn der betreffende Patient binnen 180 Tagen nach der Ausstellung in der Praxis des Facharztes erschienen war. »Wie wir feststellten, erfolgte allerdings nur in 71 Prozent der Fälle in Folge der Überweisung die Vereinbarung eines Termins bei dem betreffenden Arzt«, so Prof. Weiner. Von diesen Patienten nahmen wiederum nur siebzig Prozent den vereinbarten Arzttermin auch tatsächlich wahr. Folglich bekamen laut Prof. Weiner »nur fünfzig Prozent – also siebzig von 71 Prozent – der zum Facharzt überwiesenen Patienten die ihnen ursprünglich zugedachte Therapie«.

Um zu prüfen, ob sich dieser unerfreuliche Umstand seit dieser Untersuchung möglicherweise verändert hat, nahm man sich am Indiana University Center of Aging Research zusätzlich noch die Daten einer jüngeren Erhebung aus dem Jahr 2005 vor. Sie hatte 19.294 Überweisungen erfasst und lieferte Prof. Weiner und seinen Kollegen ein ähnliches Ergebnis: »Die Analyse unserer Stichproben zeigte, dass nur knapp über die Hälfte der Überweisungen korrekt abgeschlossen wurden«. Ziel mithin ebenso verfehlt: Lediglich 54 Prozent der überwiesenen Patienten hatten sich in der entsprechenden Facharztpraxis vorgestellt.

Fehlerteufel lauern vielerorts

Die Gründe für die fehlgeschlagenen Überweisungen sind nach Ansicht der Experten aus Indianapolis weit gefächert. Denn die Fehlerquellen sprudeln zahlreich: Sei es, dass die Facharztpraxis die Anfrage für die Konsultation nicht erhält, weil vielleicht im Fax-Gerät kein Papier mehr war. Sei es, dass schriftliche Patientenunterlagen verlegt werden beziehungsweise verloren gehen, Sprechstundenhilfen vergessen, den Termin zu bestätigen oder dass der Patient wegen Problemen mit der Anfahrt nicht erscheint. »Es wird immer Gründe dafür geben, warum ein überwiesener Patient es nicht zu dem Spezialisten schafft, den er eigentlich benötigt«, so Prof. Weiner. Doch darunter befinden sich so einige, die zu vermeiden wären: »Diese Fehler könnte das System selbst korrigieren«. Das gilt vor allem für Defizite im Informationsfluss innerhalb des therapeutischen Netzwerkes. Hier kann der gezielte Einsatz moderner Informationstechniken die Pannenquote senken. Denn damit kann nach den Worten des Wissenschaftlers aus Indianapolis »die Versorgung besser koordiniert und am Patienten orientiert werden«. Systeme zum elektronischen Datentransfer zwischen Primär- und Sekundärversorgern haben sich bereits als sehr nützlich erwiesen. So zeigte sich, dass beispielsweise die Verwendung EDV-gestützter Patientenakten die Fehlerrate im Überweisungsprozess erheblich reduziert – laut Prof. Weiner »von fünfzig auf weniger als zwanzig Prozent«.
Abgesehen vom IT-Support richtet auch der persönliche Kontakt der beteiligten Institutionen untereinander eine Menge gegen den medizinischen Fehlerteufel aus. Unter anderem ergab eine Studie von Forrest et al., dass sich die Erfolgsquote der Überweisungen um das Dreifache erhöht, wenn die überweisenden Ärzte selbst direkt mit den Fachärzten die Termine für die Patienten vereinbaren.
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Obwohl die Überweisungspannen überwiegend auf Versorgerseite auftreten, betont Prof. Weiner, dass »die Störfälle nicht allein den ambulanten oder stationären Einrichtungen anzulasten sind«. Um Überweisungen effektiver koordinieren zu können, muss vielmehr die Zusammenarbeit innerhalb der gesundheitlichen Netzwerke insgesamt verstärkt werden. Zur nachhaltigen Verbesserung der Versorgungssituation bedarf es fakultätsübergreifender Informationssysteme, welche die klinischen und demographischen Angaben verifizieren und die Qualität und Effizienz der Kommunikation zwischen den einzelnen medizinischen Disziplinen sowie den Patienten steigern.

Posted via web from Blog "Gesundheitswirtschaft"

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